Mehr Mut - Gedanken zum Nationalfeiertag
Sehr geehrte Gemeinderätinnen und Gemeinderäte
Geschätzte Damen und Herren
Liebe Mitmenschen
Herzlich willkommen zum heutigen Geburtstag der Schweiz. Ich freue mich ausserordentlich, wieder hier im wunderschönen Dürrenäsch in der Mitte des See- und Wynentals zu sein. Es ist mir eine grosse Ehre, ein zweites Mal zu dieser Bundesfeier eingeladen zu sein. Die letzte Feier im 2019 habe ich noch in bester Erinnerung. So durfte ich viele angeregte Gespräche führen, Gemeinschaft erleben und ein fröhliches Geburtstagsfest mit Ihnen, dem Feuerwehrverein Dürrenäsch-Leutwil, der Alphorngruppe Leutwil und vielen mehr hier auf dem Chnübel feiern. Herzlichen Dank für die Einladung und allen Freiwilligen, die dieses Fest organisiert haben.
Wir leben in besonderen Zeiten. Das letzte und leider auch noch dieses Jahr waren geprägt von Verzicht und persönlichen Einschränkungen. Jeder und jede Einzelne hier drin könnte wahrscheinlich stundenlang über Erlebnisse und persönliche Schicksal erzählen. Mich haben die letzten 18 Monate mit Pandemie und grossen Unwetter vor allem auf wichtige Werte besinnen lassen. Werte wie Dankbarkeit, Solidarität und Mut. Und so ist auch „Mut“ das heutige Thema.
Und Mut haben auch Sie, liebe Aargauerinnen und Aargauer, in jüngster Zeit bewiesen. Denn, obwohl wir heute zum 730. Mal den Schweizer Geburtstag feiern, wird in dieser Gegend nicht nur die Vergangenheit wertgeschätzt, sondern auch an die Zukunft gedacht. Sie haben jungen Menschen Ihr Vertrauen geschenkt. Mit Lukas Spirgi ist in Leutwil ein Mann in meinem Alter Gemeindeammann. Übrigens, Lukas ist sogar ein Jahr jünger als ich und der jüngste Gemeindeammann im Kanton Aargau. Auch in Seon wurde mit der Wahl von Christine Iten das Durchschnittsalter im Gemeinderat gesenkt. Ebenfalls im Bezirk Lenzburg – in Rupperswil – wurde mit Jasmin Hofer eine junge Studentin als Gemeinderätin gewählt. Allen engagierten Milizler gilt im Allgemeinen ein grosses Dankeschön, dass sie sich mutig zum Wohle der Mitbürgerinnen und Mitbürgern einsetzen. Besonders in ländlichen Gemeinden wird es aber immer schwieriger, die Gemeinderatssitze zu besetzen. Je nach Pensum bleibt für die berufliche Karriere wenig Zeit neben der politischen Tätigkeit. Aber mit Ihrem Vertrauen, geschätzte Damen und Herren, an die junge Generation setzten Sie ein mutiges Zeichen für die Zukunft und die Langfristigkeit Ihrer Wohngemeinde.
Mut haben auch die Jungfreisinnigen. Vor zwei Wochen haben sie in Bern mit mehr als 140‘000 Unterschriften ihre allererste Volksinitiative eingereicht. Die Renteninitiative ist ein mutiger aber auch pragmatischer Ansatz zur Sicherung unserer Altersvorsorge. Und diese Altersvorsorge ist nämlich der wichtigste Teil unserer sozialen Sicherheit und eine stolze Schweizer Errungenschaft. Heute sind aber die Finanzierung und die langfristige Sicherung in Gefahr, weil unsere Bevölkerung immer älter wird. Die Initiative setzt beim Rentenalter an und koppelt sie an die erfreulich stetig steigende Lebenserwartung. Das gesamte System soll so strukturell reformiert, entpolitisiert und langfristig gesichert werden. Das ist ein mutiger Schritt.
Mut haben aber auch die JUSO mit ihrer 99%-Initiative. Sie wollen Kapital höher besteuern und Einkommen entlasten. Meiner Meinung nach zielt sie aber komplett in die falsche Richtung und findet zurecht bei KMU vor allem Ablehnung.
Auch unser Familienunternehmen, ein Rupperwiler Industriebetrieb in dritter Generation wäre betroffen: Um global wettbewerbsfähig zu bleiben und am Standort Schweiz produzieren zu können, müssen wir fortlaufend in Innovation, Digitalisierung, neue Maschinen aber auch in die Aus- und Weiterbildung von unseren Mitarbeitenden investieren. Mit der Initiative würden uns Mittel abfliessen, für genau solche Investitionen.
Mit Sicherheit hat es heute Abend hier auf dem Chnübel einige Unternehmerinnen und Unternehmer. Beachtlich ist hier die Zahl der Familienunternehmen: es sind nämlich 90% aller Schweizer Firmen. Täglich geben diese Unternehmerinnen und Unternehmer ihr Bestes. Sie gehen mutig finanzielle und private Risiken ein, um den Betrieb und die wertvollen Arbeitsplätze zu sichern. Viele haben sie während der Pandemie sogar auf eigene Löhne verzichtet, um die Existenz der Firma nicht zu gefährden. Und viele von ihnen stehen, wie meine Familie, vor einer Generationen-Übergabe. Jedes Jahr bewältigen rund 10‘000 Familienunternehmen eine Nachfolgeregelung. Solch ein Generationen-Wechsel ist heikel und nicht selbstverständlich. Die Kinder, auch Next Generation genannt, müssen sich meist hoch verschulden und machen grosse private Abstriche.
Die JUSO-Initiative würde bei solchen Nachfolgeregelung nur unnötige Steine in die Wege legen. Haben wir also Mut, diese Initiative an der Urne zu verwerfen.
Wir müssen also mutig sein und auf gute Rahmenbedingungen für unsere Firmen, die Arbeitsplätze schaffen, achten. Zurecht wird unser Kanton auch Wirtschaftskanton genannt. Der Aargau steht für Forschung und Innovation. Aus dem Paul Scherrer Institut, der Fachhochschule Nordwestschweiz oder dem Hightech Zentrum sind schon einige ernstzunehmende Start-ups hervorgegangen. Kürzlich habe ich ein junges Aarauer Start-Up namens „findependent“ besucht. Der Name sagt Ihnen vielleicht im Moment noch nichts. Aber ich könnte mir gut vorstellen, dass wir noch einiges von dieser Firma hören werden. Das junge Team hat eine App entwickelt mit dem Ziel, Geldanlegen so einfach wie möglich zu machen. Auch Neulinge sollen so mit einem guten Gefühl Geld anlegen können. Solch innovatives aber vor allem mutiges Unternehmertum brauchen wir. Davon bin ich fest überzeugt.
Zurück zur Politik: Initiativen – losgelöst davon, ob wir inhaltlich jeweils dafür oder dagegen sind – zählen zu den wichtigsten Instrumenten unserer direkten Demokratie. Dafür werden wir von den umliegenden Ländern beneidet. Wir haben das Privileg, selbst über politische Sachfragen abzustimmen und direkt in politische Diskussionen mitzuwirken.
Gerade in den letzten anderthalb Jahren haben sich die Stärken der demokratischen Schweiz gezeigt. Nicht nur geniessen wir im Vergleich zu andern Ländern trotz Schutzkonzept mehr Freiheiten, sondern verfügen auch über ein gut funktionierendes Zusammenspiel von Gemeinden, Kantonen, Bund aber auch von Feuerwehr, Polizei, Armee und Zivilschutz wie die Hochwassergefahr sichtbar gemacht haben.
Im Katastrophenfall halten wir Schweizer zusammen, wie damals vor 730 Jahren die drei Eidgenossen beim Rütlischwur. Vergessen sind die Stadt- und Landunterschiede oder die Parteizugehörigkeiten. Zu jeder Tages- und Nachtzeit stehen Unzählige zum Wohl für die Gemeinschaft im Einsatz. Ihnen allen gehört ein gebührender Dank.
Ja, geschätzte Damen und Herren, wir dürfen stolz auf uns sein! Stolz darauf, dass wir viele Werte der Schweiz gerade in diesen Zeiten hochgehalten und gelebt haben. Lassen Sie uns jetzt auf unseren Nationalfeiertag anstossen. Denn lange haben wir auf Gemeinschaftsanlässe und das Feiern verzichten müssen.
Ich freue mich jetzt auf viele Gespräche mit Ihnen. Vielleicht lassen sich ja daraus mutige Ideen für unsere Zukunft entwickeln. Schöner 1. August und herzlichen Dank.