Votum zur Förderung der Vollzeitbeschäftigung und Beseitigung von Fehlanreizen im Steuer- und Sozialsystem
Sehr geehrter Herr Präsident, geschätzte Mitglieder des RR, liebe Kolleginnen & Kollegen
Mein Anliegen war es, aufzuzeigen, dass unser Steuer- und Sozialsystem Fehlanreize setzt, die eine Vollzeiterwerbstätigkeit unattraktiver machen. Die Antwort des Regierungsrats auf meine Interpellation anerkennt zwar die Problematik der steigenden Teilzeitarbeit und des Fachkräftemangels im Kanton, bleibt jedoch bei zentralen Punkten vage und unkonkret.
Die Interpellation hat zentrale Fakten über den Arbeitsmarkt im Aargau offengelegt: Während die Teilzeitquote bei Frauen in den letzten 20 Jahren moderat um 8% gestiegen ist, hat sich diejenige bei Männern auf über 20% mehr als verdoppelt. Natürlich spielen modernere Familienmodelle dabei eine grosse Rolle – das ist ein positiver gesellschaftlicher Wandel. Doch der zunehmende Trend hin zur Teilzeitarbeit ist ein Fakt. Beim Kanton als Arbeitgeber ist die Lage noch eindeutiger: Über 40% arbeiten Teilzeit, bei den Lehrerinnen und Lehrern sind es gar 80%. Dass wir ständig von einem Lehrermangel sprechen, passt also eigentlich nicht zur tatsächlichen Faktenlage. Ich finde es fraglich, dass der Kanton Aargau als Arbeitgeber im Schnitt viel mehr Teilzeitangestellte beschäftigen kann als die Privatwirtschaft. Offensichtlich kann sich der Staat es leisten, attraktivere Bedingungen zu schaffen. Ein unfairer Wettbewerbsvorteil, mit dem die Privatwirtschaft so nicht mithalten kann?
Nachdem der Regierungsrat die Faktenlage klar und dargelegt hat, bleibt die zentrale Frage jedoch nur vage beantwortet: Wie können wir effektiv bessere Anreize zur Vollzeitbeschäftigung schaffen?
Die Steuergesetzrevision 2025 ist relevant zur Beantwortung meines Anliegens. Darauf verweist auch der Regierungsrat. Die Steuergesetzrevision wird – sofern sie vom Volk angenommen wird – die Abzüge für Drittbetreuungskosten erhöhen und darauf verzichten, den Maximalbetrag aufgrund eines Teilzeitpensums zu reduzieren. Das sind bereits gute Ansätze, um die Anreize zum Arbeiten zu erhöhen. Jedoch wird sich zeigen, ob das effektiv einen Unterschied machen wird. Denn das notwendige Angebot für Betreuungseinrichtungen liegt schlussendlich bei den Gemeinden. Das heisst, alle politischen Ebenen müssen mitmachen, um die richtigen Anreize für Vollzeitarbeit zu setzen.
Auch die Beantwortung zum Einfluss der progressiven Steuerbelastung auf die Entscheidung für oder gegen eine Vollzeiterwerbstätigkeit ist sehr dünn ausgefallen. Es lägen keine Studien vor, die eine signifikante Wirkung der Steuerbelastung auf das Erwerbspensum nachweisen. Das finde ich problematisch, da es zeigt, dass keine aktive Auseinandersetzung mit der Frage der fiskalischen Fehlanreize stattfindet. Die steigende Steuerlast bei höherem Einkommen kann eine zusätzliche Arbeitsstunde unattraktiver machen – gerade auch für den Zweitverdiener.
Zusammenfassend bleibt die Antwort des Regierungsrats auf meine Interpellation oberflächlich. Anstatt sich mit den tatsächlichen Fehlanreizen im Steuer- und Sozialsystem auseinanderzusetzen, verweist er auf allgemeine Entwicklungen und bereits bekannte Massnahmen. Leistung muss sich lohnen – und unser Kanton sollte dies stärker unterstützen.
Ich bin mit der Beantwortung teilweise befriedigt.